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SPD Ober-Ramstadt.

Novemberrevolution 1918 in Ober-Ramstadt :

1918 breitete sich die Novemberrevolution von Kiel ausgehend über ganz Deutschland aus. Allerortens gründeten sich "Arbeiter- und Soldatenräte" mit dem Ziel die morschen, obrigkeitsstaatlichen Strukturen des Wilhelminischen Kaiserreichs durch Formen demokratischer Mitbestimmung zu ersetzen. Häufig standen Sozialdemokraten in erster Reihe und übernahmen Verantwortung. Aus dem Berliner Arbeiter und Soldatenrat hinaus proklamierte Philip Scheidemann die Republik (s. Bild).
Auch in Ober-Ramstadt hielt eine Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrat Versammlungen ab.

Unter Vorsitz von Bürger Braband gehörten folgende Bürger diesem „Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrat“ an:
Gg. Schanz, Kleppinger, Obmann, Schröbel, Stern, Ph. Keller, Aug. Matthes, Gg. Boßler, Herm. Ackermann und Friedrich Ehrhardt.

Die Odenwälder Nachrichten berichteten am 18.November 1918 folgendes:

 

Die auf gestern Nachmittag vom hiesigen „Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrat“ im Schützenhof einberufenen Versammlung war von allen schichten der Einwohnerschaft äußerst zahlreich besucht. Bürger Braband eröffnete dieselbe mit der Begründung des Zwecks und erteilte das Wort dem Referenten Bürger Knaus aus Offenbach, Mitglied des Arbeiter und Soldatenrats Darmstadt. Derselbe verbreitete sich eingehend über die Ursachen der gegenwärtigen Revolution, insbesondere über die Zustände während der vierjährigen Kriegsdauer an der Front und in der Heimat. Das Resultat dieser Misswirtschaft und der großen Ungerechtigkeiten, die dieser Krieg gezeitigt, sei die soziale Revolution gewesen. Aus einem geschichtlichen Rückblick leitete der Redner die Notwendigkeit der jetzigen Neuordnung ab. Der Kampf der sozialen Revolution gelte hauptsächlich der Kapitalistenklasse, sie fordere die Verstaatlichung aller Produktionsmittel, der Kohle und sonstigen Bergwerke. Im neuen Staate dürfe es keine Müßiggänger mehr geben. Wir wollen einen Staat in dem es heißt: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“. Auch die Fideikomisse müssten aufgehoben werden. In einem Staat dessen Nationalvermögen auf ca. 350 Milliarden taxiert sei und der heute schon mit 200 Milliarden Schulden belastet , denen sich noch 60 – 70 Milliarden für den Aufbau Belgiens zugesellen werden, sei Sparsamkeit und Arbeitsamkeit die erste Bedingung für den Fortbestand.

 

Eine gründliche Reorganisation der Verwaltung müsse vorgenommen werden, unfähige Diplomaten beseitigt, allen Befähigten des Volkes der Aufstieg ermöglicht werden. Zu diesem Zweck sei die Einheitsschule einzuführen. Die Blutopfer des Weltkriegs, die 8 Millionen Menschen betrage, dürfen nicht umsonst gebracht sein. Sodann richtete der Redner einen Aufruf an die Bauern.. Sie müssten mit allen Kräften für die Ernährung des Volkes sorgen, sonst stehe der Bürgerkrieg, Hungersnot und Anarchie vor der Tür. Dies müsse vermieden werden. Auch das zwecklose Geldhamstern der Bevölkerung müsse unterlassen werden. Dies erschwere das geordnete Wirtschaftsleben und raube die Möglichkeit der Einfuhr von Lebensmitteln und Rohstoffen aus dem Ausland. Sollten die gütlichen Ermahnungen nichts fruchten, so sei man schließlich gezwungen, ohne Weiteres die vorhandenen Wertzeichen als ungültig zu erklären. Bürger Braband dankte namens der Versammlung dem Referenten für seine Ausführungen und bemerkte:

 

Zu Beginn es Krieges hätte es geheißen: es sei eine Lust diese erhebenden Tage mitzuerleben; er sage, es sei eine Freude jetzt zu leben. Sodann gedachte er den unseren tapferen Soldaten, die das Land vor Verwüstung frei gehalten; geißelte das ungerechte Verhalten der Offiziere und erörterte die bevorstehenden Wahlen zur Nationalversammlung. Dieselben werden zwangsweise für beide Geschlechter, also Männer und Frauen, erfolgen. Zum zweiten Punkt der Tagesordnung, betreffend Einrichtung einer „Bürgerwehr“ erklärte Redner, dass man dieselbe habe schleunigst in Kraft treten lassen müssen, um dem Treiben des lichtscheuen Gesindels, der Anarchie und des Räubertums Einhalt zu bieten.

 

Es seien 12 Soldaten als Bürgerwehr aufgestellt, die nach Einbruch der Dunkelheit die Ortsstraßen abwechslungsweise abpatroullieren. Weiter wurde bekannt gegeben, dass der Soldaten- und Arbeiter-Rat hier das Ansinnen an den „Bauern Verein“ gestellt habe, demselben beizutreten. Für die intensive Erfassung der Lebensmittel wurde festgestellt, dass bei einer heute vorgenommenen Aufnahme im Ort 250 Ztr. Kartoffel bereitgestellt worden seien. Bürger Schanz gibt bekannt, dass die Autorität des Staates und der Gemeinden nunmehr der „Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrat sei bis sich die Nationalversammlung konstituiert habe. Er richte daher die Aufforderung an die übrigen Stände sich an dieser Organisation zu beteiligen. Der Vorsitzende teilt mit, dass soeben der „Bauernverein“ die Erklärung abgegeben habe, dass sich die Bürger Ph. Keller, Aug. Matthes, Gg. Boßler und Herm. Ackermann zur Verfügung gestellt haben. Bürgermeister Rückert fordert auf, sich aus allen Kreisen der Einwohnerschaft zu beteiligen, damit das Gesindel nicht überhandnehme. Er schlägt noch vor, auch aus dem Gewerbestand einen Vertreter in den Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrat aufzunehmen, und befürchtet für die Zukunft recht traurige Zustände, insbesondere auch eine große Arbeitslosigkeit. Braband ist nicht für die Aufnahme eines Gewerbetreibenden. Bürger Blume will mehrere Gewerbetreibende im Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrat vertreten wissen. Gut ist daher. dass alle Kreise zusammenstehen. Bürger Kleppinger teilt diese Meinung nicht und meint: „Viele Köche verderben den Brei“. Postverwalter Weber wünscht auch einen Vertreter der Beamten. Nachdem Bürger Hirsch noch für die Zuwahl eines Handwerkers gesprochen, wurde Bürger Friedrich Ehrhardt hierfür bestimmt.

 

Zur Verfügung gestellt von Werner Hahn, Ehrenvorsitzender der SPD Ober-Ramstadt anlässlich der 100 Jahrfeier der SPD 2001

 

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