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SPD Ober-Ramstadt.

60 Jahre SPD :

Aus der Festbroschüre - SPD Kreisfest für den Landkreis Darmstadt-verbunden mit dem 60 jährigen Jubiläum vom 5. – 7. August 1961 – verantw. Richard Rohrbach und Robert Schweitzer

60 Jahre SPD in Ober-Ramstadt verbunden mit dem
Kreisfest des Landkreises Darmstadt am 5-6. und 7. August 1961

60 Jahre SPD in Ober-Ramstadt

Das diesjährige Kreisfest, das mit dem 60 jährigen Jubiläum des Ober-Ramstädter Ortsvereins verbunden ist, veranlaßt zu einem Rückblick über die Geschichte und die vergangenen Jahrzehnte der Ober-Ramstädter Ortsgruppe der Sozialdemokratischen Partei. Die Einsicht, jedwedem Geschichte vornehmlich auf die Hintergründe und Zusammenhänge denn auf Zahlen und Fakten zu untersuchen, wird in jedem Fall angesichts des nahezu vollständigen Mangels an historischen Daten zur Notwendigkeit. Was wir heute über die Anfänge und die ersten Jahre wissen, verdanken wir dem Gedächtnis der noch Lebenden, das Geschriebene wurde 1933 vernichtet. Die Unzulänglichkeit der Menschen, Geschichte zu machen, findet ihre Parallele in der Schwierigkeit, die Ereignisse aufzuzeichnen.
Keine geschichtliche Tat kann vollbracht werden, bevor die Zeit dazu reif ist. Erst die sich ungeheuer ausbreitende Industrialisierung in Europa mit allen ihren zuvor nie für möglich gehaltenen Neuerungen ließ der damaligen Geisteswelt und der neu entstandenen Industriearbeiterschaft überhaupt erst die Möglichkeit, dann die Notwendigkeit einer Neugestaltung auch der gesellschaftlichen Verhältnisse erkennen. Eine solche Erkenntnis war von den Menschen der früheren Epochen, die nie eine so revolutionäre Umwälzung wie die Industrialisierung erlebten, nicht zu erwarten.
Die Bewohner Ober-Ramstadt lernten die industrielle Produktionsmethode in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts kennen. 1862 wurde die Kammfabrik Heim gegründet, die jahrzehntelang der beherrschende Industriebetrieb des Ortes war.
Das nahe Darmstadt mit seiner Industrie übte weit in den Odenwald seine Anziehung auf Handwerksburschen und Bauernsöhne aus, deren überkommene Lebensordnung aus den Fugen geraten war. Der Sieg der Industriealisierung, der zugleich auch ein Sieg des Kapitalismus ist, war ohne Zweifel ein außerordentlicher Fortschritt gegenüber der feudalistisch-agrarisch-handwerklichen Gesellschaftsordnung der Vergangenheit.
Die sozialen Verhältnisse der alten Gesellschaft müssen so drückend gewesen sein, daß die Menschen ein Dasein als Industriearbeiter ihren alten Berufen vorzogen. Die Landwirtschaft war durch das Erbrecht unmäßig parzelliert, das Handwerk übersetzt, die Bevölkerung nahm ständig zu. Der Lebensstandart dürfte zwar im Vergleich zu früheren Zeiten der feudalistischen Epoche keineswegs gering gewesen sein. Ohne Zweifel bot jedoch der Kapitalismus zur damaligen Zeit dem Menschen ein besseres Leben. Der Kapitalismus ist in der Geschichte ein echter Fortschritt gewesen. Dadurch läßt sich erklären, daß große Teile der Massen heute im Kapitalismus nur eine prosperierende Gesellschaftsordnung und nicht den Vorläufer einer noch fortschrittlicheren Epoche sehen.
Im Jahre 1870 erhielt Ober-Ramstadt Bahnverbindung mit Darmstadt, dadurch wurden die Arbeitsplätze der Darmstädter Industrie - vornehmlich Merck - bequem erreichbar.
Doch auch nach 1870 gingen viele Arbeiter täglich zu Fuß nach Darmstadt, um Geld zu sparen. Es wird sogar berichtet, daß Brandauer einen stundenlangen Fußmarsch nach Darmstadt zur Arbeit machten. Angesichts dieser Tatsachen kann ermessen werden, in welcher Lage sich Handwerk und Landwirtschaft im vorderen Odenwald befanden.
Mit der ökonomischen Situation wandelte sich auch das politische Bild Ober-Ramstadt. Die ersten sozialistischen Vereine wurdengegründet, der Arbeiterbildungsverein, von dem nicht ganz sicher ist, ob er nicht zu Anfang insgeheim von der Deutschen Fortschrittspartei, einer sich arbeiterfreundlich gebärenden bürgerlichen Gruppe. inspiriert war, entstand.
Daraus gingen der Gesangverein „Sängerlust“, die heutige Sängervereinigung 1871 i.d.SKG, und der gleichfalls noch existierende Kohlenverein hervor. Zweifellos waren dies bereits Vorläufer der späteren Ober-Ramstädter Sozialdemokratischen Partei.
Es wird-allerdings aus unsicherer Quelle- berichtet, daß bereits in den frühen neunziger Jahren von den Darmstädter Sozialdemokraten Vertrauensleute für Ober-Ramstadt ebstimmt wurden. Bereits in den letzten Jahren vor der Jahrhundertwende sollen die ersten Ober-Ramstädter Sozialisten tätig geworden sein. Ohne jeden Zweifel ist es jedoch damals noch zu keiner festen Organisation gekommen. Die Bedingungen für die Gründung einer Sozialistischen Gruppe waren - auch das steht außer Zweifel – vorhanden. Ober-Ramstadt war zu einer Arbeitergemeinde geworden.
Da brachte das Jahr 1901 einen Mann nach Ober-Ramstadt, der die Verhältnisse erfaßte und zum Gründer der Sozialdemokratischen Partei wurde : Jakob Braband.
Der noch junge Zuschneider hatte einen guten Teil Deutschlands gesehen, war bereits in verschiedenen Städten Mitglied der SPD und der Gewerkschaften gewesen, hatte zuletzt in Frankfurt-Bockenheim einen Streik organisiert und war deshalb entlassen worden. Die Ober-Ramstädter Schuhfabrik Schanz (damals noch im Gebäude in der heutigen Druckerei Leinberger in der Bahnhofstraße) stellte ihn auf zwei Jahre für einen zum Wehrdienst Einberufenen ein.
Das war im Frühjahr 1901, Jakob Braband war damals 23 Jahre alt. Wie heute übereinstimmend zu hören ist, warb er bereits in den ersten Wochen seiner Anwesenheit in Ober-Ramstadt für die Gründung eines Sozialdemokratischen Ortsvereins. Schon bald mußte er eine stattliche Anzahl Gleichgesinnter um sich versammelt gehabt haben.
Im damaligen Gasthaus „Zum Grünen Laub“ in der Adlergasse wurde schließlich vollzogen, worauf sich heute 60 Jahre sozialdemokratischer Geschichte in Ober-Ramstadt beziehen:
Die Gründung des Ortsvereins Ober-Ramstadt der Sozialdemokratischen Partei.
Die ersten Mitgliedskarten tragen das Datum des 15. Juni 1901, ob dies auch zugleich der Tag des Zusammentritts der Gründungsversammlung ist, kann nicht festgestellt werden.
Vorsitzender wurde der 23 jährige Jakob Braband. Die Namen der anderen Gründungsmitglieder sind nicht aufgezeichnet. Auch hier müssen wir uns wieder dem Gedächtnis unserer Alten anvertrauen, dem wir der Ehre halber nicht den Respekt versagen wollen, der Wahrheit willen aber auch mit Skepsis gegenüberstehen müssen.
Als Namen der ersten Mitglieder sind zu hören : Nikolaus Kraft „Krafte Hanickel“-Hilfsarbeiter, Karl Reiniger – Kammacher, Karl Rode – Kammacher und langjähriger Kassierer des Ortsvereins, Ludwig Engelhard – Kammacher und ebenfalls Kassierer, Franz Wedel – Schreiner, Philipp Breitwieser – Schreiner, Philipp Kraft ( von den drei Letztgenannten wird gesagt, daß sie bereits in den neunziger Jahren als Sozialisten bekannt waren ), Philipp Müller – Kesselschmied, Michael Steinmann – Schmied, Peter Müller – Dachdecker, Georg Netscher – Schlosser, Heinrich Rochholz – Kammacher, Georg Schanz – Wirt, Philipp Vollrath – Hilfsarbeiter, Georg Fornoff – Maurer – später Konsum-Filialleiter, Franz Rau – Kammacher und Musiker, Martin Klenk – Weißbinder, Ludwig Klenk – Maler.
Die Parteiarbeit nahm einen beachtlichen Aufschwung. Als befreundete Organisationen wurden die Gewerkschaften, der Arbeitergesangverein „Vorwärts“, der Radfahrerverein „Frisch auf“ und die Freien Turner gegründet.
Das Gasthaus „Zum Grünen Laub“, das die Gründungsversammlung des Ortsvereins beherbergt hatte, wurde bald durch das Gasthaus „Zur Linde“ abgelöst. Als Georg Schanz, der zu den Gründungsmitgliedern gehört, im Jahre 1903 das Gasthaus „Zur schönen Aussicht“ in der Baustraße übernahm, zog der Ortsverein zum letzten Male um. Diese Lokal ist – seit 1919 im Besitz der Familie Georg Schröbel – auch heute noch die Parteiwirtschaft.
Ein großer Teil der Mitglieder aus den ersten Jahren lebt nicht mehr. Von denen, die noch heute unter uns sind, werden die Namen derer genannt, die im ersten Jahrzehnt diese Jahrhunderts zur SPD kamen. Es waren zu hören : Adam Liebermann – Maurer, Wilhelm Burger – Kammacher, Baptist Würfel – Schneider, Jakob Kehr – Kammacher, Fritz Görisch – Maurer, Jakob Schulz – Stukkateur, Franz Kleppinger – Schreiner, Peter Schulz – Maurer, Johannes Krichbaum – Maurer, Wilhelm Ackermann VI. – Schreiner u. Rolladenmeister, Wilhelm Schuchmann – Schreiner, Adam Krämer – Bäcker, Heinrich Schulz – Maurer, Georg Schröbel – Maurer, Georg Emich – Weißbinder, Karl Schulz – Maurer, Georg Schröbel – Schreiner, Franz Schulz – Weißbinder, Michael Heisel – Maurer, Adam Hofmann – Maurer, Katharina Hofmann – später Becht, Marie Heisel – später Schönbein, Ludwig Ackermann – Schreiner, Wilhelm Kleppinger – Hilfsarbeiter, Heinrich Heisel – Kammacher, Georg Ackermann – Steinmetz.
Im Jahre 1909 erlebte die Partei ihren ersten großen Triumpf. Auf Anhieb errang die SPD bei den Kommunalwahlen vier von 12 Sitzen. Jakob Braband, Michael Steinmann, Georg Schanz und Franz Wedel werden als erste sozialdemokratische Gemeindevertreter genannt. Bereits bei der Wahl vom 24. Januar 1912 wuchs die sozialdemokratische Fraktion auf sechs Köpfe an. Nach dem ersten Weltkrieg, der die Parteiarbeit stark hemmte, bildeten sich auch in Ober-Ramstadt sozialistische Splittergruppen. Die Partei erhielt bei der Wahl vom 15. Juni 1919 erneut sechs von nun allerdings 15 Sitzen im Gemeindeparlament. Die nachfolgenden Wahlen vom 19. November 1922 und 15. November 1925 brachten der von der SPD geführten Listenverbindung – der u.a. auch die KPD angehörte – mit jeweils acht Mandaten die absolute Mehrheit ein. Als die Mitgliedsgruppen der Liste bei der Wahl vom 17. November 1929 einzeln kandidierten, erhielt die SPD die acht Sitze allein. Ein weiteres Mandat kam durch den Übertritt des Abgeordneten einer Wählergruppe hinzu.
Am 30. September 1928 war Jakob Braband mit überwältigender Mehrheit von den Bürgern Ober-Ramstadts zum Ersten Beigeordneten gewählt worden. Dies war einer der letzten großen Siege, die vor 1933 errungen wurden.
Von nun an zogen die Schatten der bevorstehenden Epoche immer erschreckender und deutlicher herauf. Die sich ausbreitende Weltwirtschaftskrise erschütterte auch die deutsche kapitalistische Wirtschaft. Dieses Situation schuf in Deutschland allmählich klare Fronten. Die Kommunisten versprachen, die Ursache der Krise, die kapitalistische Struktur des Staates, zu beseitigen, die Sozialdemokraten und das von ihnen geführte Reichsbanner wollten die Krise durch wirtschaftliche Steuermaßnahmen beilegen und danach der Wirtschaft eine sozialistische Struktur verleihen. Oberstes Ziel aber war die Erhaltung der parlamentarischen Demokratie. Die Faschisten schließlich bekämpften die Linke, von der, wie sie sagten, der Untergang des Staates zu erwarten sei, und-wenigsten dem Reden nach-die Macht des Großkapitals, der sie die Schuld für die herrschende wirtschaftliche-und politische-Misere gaben. Naturgemäß war die Hauptstütze der Faschisten die dritte, nicht angegriffenen Volksgruppe: das Kleinbürgertum. Jedoch auch zahlreiche Arbeiter fanden den Weg in die braunen Reihen. Erst sehr viel später unterstützte auch das Großkapital insgeheim die NSDAP. Es darf nie übersehen werden, daß der Faschismus - wenn auch nur nach außen hin - deutlich antikapitalistische Züge trug, was nicht zuletzt durch die Aufnahme der Vokabel „sozialistisch“ in den Parteinamen unterstrichen werden sollte. Viele Anhänger der NSDAP erhofften sich vom Dritten Reich den Sozialismus. Dies muß um der geschichtlichen Wahrheit willen gesagt werden. Die Nationalsozialisten verfolgten ihre Ziele mit offener Gewalt und verstanden es dadurch, sich den Anschein zielstrebiger Entschlossenheit zu geben, was ihnen zahlreiche Sympathien von Wählern eintrug, denen die zaghaften und durch die zahlreichen Regierungswechsel widersprüchlichen Schritte der Republik den Wunsch nach eiserner Ordnung eingab. Diese Dinge muß man sich vor Augen halten, um die Situation auch im damaligen Ober-Ramstadt verstehen zu können.
1928 wurde die Ober-Ramstädter Gruppe des Reichsbanners gegründet. Zu den führenden Köpfen dieser demokratischen Schutzorganisation gehörten Ludwig Burckhardt, Wilhelm Leis, Heere Franken, Franz Radomicki, Jakob Braband, Oswald Braband (der Sohn des Gründers). Peter Frankenberger (der heutige Bürgermeister), Fritz Wernath (der heutige Darmstädter Stadtverordnetenvorsteher), Karl Heisel, Adolf Kettenring, Arthur Hagen, Johannes Reimund, Friedrich Becker, Georg Müller, Georg Krämer.
Die Auseinandersetzungen zwischen den mit grünen Hemden marschierenden Männern des Reichsbanners „Schwarz-Rot-Gold“, den mit grauen Hemden versehenen Kommunisten und den brau und schwarz behemdeten Gruppen der SA und SS nahmen immer heftigere Formen an. Häufig griff die Polizei ein. Die Symbole dieser Organisationen waren die drei Pfeile, Hammer und Sichel und das Hakenkreuz.
Den folgenschwersten Zusammenstoß gab es in der Nacht vor der Reichtagswahl vom 5. März 1933, als Hitler bereits Reichskanzler war. In der Nähe des Marktplatzes wurde das Reichsbannermitglied Georg Sachse von einer Kugel getroffen, die ihm den Tod brachte. Peter Opper, Hermann Fischer und Franz Radomicki mußten ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Bei der Wahl vom 5.März erhielt die NSDAP 1759 und die SPD 1060 Stimmen, für alle anderen Parteien entschieden sich zusammen 81 Wähler.
Nach dieser Wahl, die der NSDAP einen gewaltigen Stimmenzuwachs im ganzen Reich brachte, wurden auch in Ober-Ramstadt SA-Männer als Hilfspolizisten eingesetzt. Zahlreiche Sozialdemokraten und Kommunisten wurden verhaftet. Die neunköfige SPD-Fraktion und Jakob Braband, der erste Beigeordnete, blieben deshalb den Gemeinderatssitzungen vom 8. und 17. März 1933 fern.
Durch das Gleichschaltungsgesetz wurde in Ober-Ramstadt die alte Gemeindevertretung aufgelöst und durch vier Sozialdemokraten und acht Nationalsozialisten ersetzt. Bei den Ausschuß- und Kommissionsbesetzungen wurden die Sozialdemokraten nicht berücksichtigt. Dieser offenkundige Affront der uniformiert erschienenen NSDAP- Fraktion veranlaßte die vier Sozialdemokraten, ihre Mandate niederzulegen. Gleichzeitig wurde der Ortsverein Ober-Ramstadt der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands aufgelöst.
Dies war am 8. Mai 1933, auf den Tag genau zwölf Jahre vor der offiziellen Kapitulation des faschistischen Deutschlands.
Damit hatten 32 Jahre sozialdemokratische Parteiarbeit in Ober-Ramstadt einen vorläufigen Abschluß gefunden. Dokumente, Flugblätter und tausend Erinnerungen verbinden uns heute mit dieser Zeit, die stolze Triumpfe sah.
1925 nahm Karl Heisel als Jugenddelegierter am Heidelberger Parteitag teil, der in der Geschichte der SPD ein Markstein ist. Die Wahlkämpfe der ausgehenden zwanziger Jahre sahen den groißen Kurt Schumacher in Ober-Ramstadt, der neben August Bebel die bis heute hervorragenste Persönlichkeit der Partei ist. Zum Abschluß des ersten Abschnittes der Geschichte des Ortsvereins seien die Namen der Männer genannt, die neben Jakob Braband, der Kopf und Seele der Partei war, als Vorsitzende oder an hervorragender Stelle im Vorstand die Geschicke der Partei lenkten: Karl Reininger-Kammacher, Georg Fornoff-Lagerverwalter, Franz Kleppinger-Schreiner, Philipp Vollrath-Hilfsarbeiter, Georg Ackermann-Steinmetz, Philipp Müller-Kesselschmied und Konrad Fischer-Müller.
Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches setzte die amerikanische Militärregierung Jakob Braband als Bürgermeister ein.
Die Neugründung des Sozialdemokratischen Ortsvereins ließ nicht auf sich warten. Peter Frankenberger, Karl Heisel, Jakob und Oswald Braband sammelten neben anderen die alten Mitglieder wieder unter der Fahne der SPD. Karl Heisel wurde Vorsitzender. Der letzte Kassierer vor 1933, der heutige Stadtrat Adolf Kettenring, hatte die Parteikasse im Vertrauen auf die Vergänglichkeit des Dritten Reiches zwölf Jahre lang verwahrt und brachte nun 120 Mark ein. Die erste Kommunalwahl am 20. Januar 1946 brachte der SPD zehn, der KPD und CDU je vier Mandate im neuen Gemeindeparlament ein.
Das gleiche Jahr verzeichnet ein für den Ortsverein äußerst betrübliches Ereignis. Die Partei hatte nach 32 Jahren harter Arbeit und schweren Kampfes und nach zwölf Jahren der Verfolgung und Unterdrückung zum ersten Male eine hauptamtliche Position zu vergeben. Alle Feinde und Gegner waren besiegt und die Stellung der Partei unangefochten. Für den 21. Mai 1946 war die Wahl des hauptamtlichen Bürgermeisters vorgesehen.
Die Mehrheit der Mitgliederversammlung entschied sich für Jakob Braband, bei der Wahl in der Gemeindevertretung stimmte jedoch die Fraktionsmehrheit für Peter Frankenberger, den Fraktionsvorsitzenden, der einer der führenden und mutigsten Köpfe des Reichsbanners gewesen war. Die Wahl wurde von der CDU erfolgreich angefochten. Bei der Wiederholungswahl wurde Peter Frankenberger endgültig zum Bürgermeister gewählt. Der 68 jährige Jakob Braband hatte sich nicht mehr zur Wahl gestellt. Die Fraktionsmitglieder, die sich gegen den Beschluß der Mitgliederversammlung gestemmt hatten, wurden vom Kreisverband aus der Partei ausgeschlossen. Der Ausschluß wurde allerdings niemals rechtskräftig, weil damals noch keine Ausschlußbestimmungen erlassen waren.
Die Anhänger der beiden Kandidaten standen sich unversöhnt gegenüber. Auch heute noch sind die Nachwirkungen des damaligen Ereignisses zuweilen spürbar.
Jakob Braband zog sich damals von der aktiven Parteiarbeit zurück. Er starb 1953 im Alter von 75 Jahren. Mit ihm verlor der Ortsverein Ober-Ramstadt einen Mann, der es in über fünf Jahrzehnten zum selbstständigen Kaufmann, Gemeindevertreter, Ersten Beigeordneten und schließlich Bürgermeister gebracht hatte, der eine Partei, eine Baugenossenschaft und eine Krankenkasse gegründet hat, die Gewerkschaften förderte, von seinen Feinden verfolgt und am Ende von seinen politischen Freunden gemieden wurde.
Über diese Dinge kann niemals eine Wertung getroffen werde. Wir kennen heute nur den faktischen Ablauf des Geschehens. Niemand aber kann heute mehr das Knäuel der menschlichen und sachlichen Verhältnisse und Erwägungen der damaligen Situation entwirren. Die Fakten jedoch müssen der geschichtlichen Wahrheit willen erwähnt werden, auch wenn sie schmerzlich sind.
Bei der zweiten und dritten Kommunalwahl am 25. April 1948 und 4. Mai 1952 erhielt die SPD jeweils neun Sitze in der Gemeindevertretung. Bei der Wahl vom 28. Oktober 1956 gewann die Partei it zwölf Sitzen die Zweidrittelmehrheit. Am 26. Oktober 1960 zogen elf Sozialdemokraten – nunmehr als Stadtverordnete – ins Parlament. Der Parteivorsitz ging von Karl Heisel (Polizeibeamter) auf Ludwig Stumpf (Milchhändler) und dann auf Peter Reimund (Feldschütz) über. Ihm folgte Bürgermeister Peter Frankenberger, der vom gegenwärtigen Vorsitzenden Georg Kleppinger (Werkzeugmacher) abgelöst wurde.
Dem Ortsverein gehören zur Zeit etwa 220 Mitglieder an, das sind knapp drei Prozent der Einwohner Ober-Ramstadts.
Seit Kriegsende liegt die kommunalpolitische Verantwortug in den Händen der SPD, die bislang bei allen Wahlen in Ober-Ramstadt die Mehrheit erhielt. Sowohl in der Stadtverordnetenversammlung als auch im Magistrat ist die SPD die tragende Kraft. Bürgermeister Frankenberger amtiert jetzt im 15. Dienstjahr.
Der Ortsverein der SPD kann mit Stolz auf die in den letzten Jahren in Ober-Ramstadt vollbrachten kommunlapolitischen Leistungen hinweisen.

Aus der Festbroschüre - SPD Kreisfest für den Landkreis Darmstadt-verbunden mit dem 60 jährigen Jubiläum
vom 5. – 7. August 1961 – verantw. Richard Rohrbach und Robert Schweitzer

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